Kollegialer Wochenendgruß aus Baden-Württemberg. Der Absender des Zeitungsausrisses war noch nie im brandenburgischen Dorf Schwante. „Prinzenpaar fast in Schwante zu Gast“ verheißt die Überschrift einer im Internet kursierenden Kurzmeldung. Schon einige Tage alt, trotzdem noch ein Schmunzeln wert. „Journalismus in OHV. :-)“ kommentiert der Ortsfremde. Ob er die Originalquelle kennt?
Ralf Heimann und Jörg Homering-Elsner sammeln seit Jahren „Perlen des Lokaljournalismus“ und verewigen kuriose Missgeschicke aus der Zeitung auf der gleichnamigen Website. Zwei Bücher haben sie bereits herausgebracht. Eine wunderbare Lektüre für Tage, an denen nichts zu laufen scheint. Das dritte Buch soll im November 2017 erscheinen. Geplanter Titel: „Polizei überwältigt Stofftier“.
Doch was ist überhaupt so spaßig an der Meldung über William und Kate? Die Doppeldeutigkeit von „etwas schwanen“ soll dabei übergangen werden. Normalerweise veröffentlichen Journalisten keine Konjunktiv-Geschichten. Lokalredakteure berichten über Ereignisse, die stattgefunden haben oder zumindest ernsthaft angekündigt sind. Nachrichtlich relevant wäre ein royaler Besuch in einem 2000-Seelen-Örtchen tatsächlich. Schwante hat einiges zu bieten, auch wenn das erwähnte Schloss in Wahrheit ein ehemaliges Gutshaus ist. Seit 2001 gehört der Ortsteil zur damals neu gegründeten Gemeinde Oberkrämer.
In Schwante wurde deutsche Geschichte geschrieben. Am 7. Oktober 1989 gründeten 43 Bürgerrechtler unter konspirativen Bedingungen im Gemeindehaus die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP). Aus ihr ging 1990 die ostdeutsche SPD hervor. „SDP-Gründungsinitiator Martin Gutzeit kannte Pfarrer Reinhard Kehler gut und vertraute ihm. Zudem waren Fluchtwege per Fahrrad einkalkuliert“, erinnerte sich Reiner Rühle anlässlich der Gedenkfeier zum 25-jährigen Jubiläum im Oktober 2014. 27-jährig hatte der Berliner die Parteigründung bei einem Menschenrechtsseminar in Mecklenburg-Vorpommern mit Markus Meckel, Außenminister der letzten demokratisch gewählten DDR-Regierung, vorbereitet. Parteienforscher Dr. Gero Neugebauer würdigte vor drei Jahren: „Die Gründungsmitglieder hatten Visionen, die bei heutigen Mitgliedern oft fehlen.“
Bei „Perlen des Lokaljournalismus“ geht es nicht um höhnische Schadenfreude. Sie sind lebendige Fehlerkultur. Jedem Redakteur können solche Bolzen passieren. Böse Zungen schieben sie in die Schublade „Sommerloch“. Apropos. In der nachrichtenärmeren Zeit finden sich alljährlich Tiere in den Schlagzeilen, nach denen sonst kein Hahn gekräht hätte. Aber: Schloss Schwante liegt von Clärchens Ballhaus in Berlin rund 45 Autominuten entfernt. Ein Katzensprung als Synonym für eine geringe Entfernung sind rund 40 Kilometer wohl nicht. Der Schlossherr dürfte sich über seine gelungene PR-Aktion freuen. Auch ohne britisches Prinzenpaar.
Fotos: © Archiv Dagmar Möbius