Freudentanz über Tohuwabobuch

Mehr als zweieinhalbtausend Verlage, unzählige Autoren, 3400 Mitwirkende beim Lesefest. Ist nicht jeder Platz schon besetzt? Warum sollten die gerade auf mich aufmerksam werden? Auch Oswin Werner plagen solche Zweifel. Der Hobbyautor mit eigener Fangemeinde schreibt Geschichten für Kinder und Erwachsene. Ihn zu überzeugen, einen Text bei einem Schreibwettbewerb einzureichen, war alles andere als leicht. Schließlich durfte ich Rohmaterial redigieren. Die Belohnung: eine Einladung zur Leipziger Buchmesse 2019. Die Übergabe des „Tohuwabobuches“ löste einen Freudentanz aus.

Oswin Werner neigt nicht zu überbordenden Gefühlsausbrüchen. Als pensionierter Polizeibeamter kann er jede Menge Anekdoten aus seinem Berufsleben erzählen. Doch der 65-Jährige schreibt im Ruhestand fantasievolle Geschichten, am liebsten für Kinder. Regelmäßig liest er öffentlich. In einem Buch veröffentlichte er jedoch noch nie.

Melissa Dangelmaier überreicht Oswin Werner die Gewinnexemplare.

Letztes Jahr rief der Online-Druckanbieter „WirmachenDruck“ dazu auf, Kurzgeschichten für Kinder einzureichen. Die besten würden prämiert und in einer Anthologie erscheinen. Eine Chance für Oswin Werner? „Du kannst nur gewinnen, und sei es Erfahrung“, fand ich. Es dauerte ein paar Wochen, bis er das auch so sah. Als ich „Lucie und der leuchtende Pfad“ redigierte, war ich sicher, dass diese Geschichte nicht chancenlos im Büchermeer ist. Und das, obwohl ich rigoros kürzte. „Man merkt gar nicht, dass der Text kürzer geworden ist. Es liest sich immer noch wie meine Geschichte“, staunte Ossi. So nennen ihn seine kleinen und großen Fans. Füllwörter und ein paar Nebenstränge raus – der rote Faden trat deutlicher hervor. So sollte es sein.

Einsenden musste er seinen Text selbst. Es dauerte lange, sehr lange, bis eine Antwort kam. Als ihn der Brief mit dem Glückwunsch zur prämierten Geschichte und einer Einladung zur Leipziger Buchmesse erreichte, hatte er seine Bewerbung schon fast bereut. Wie würde es sein, zum ersten Mal in einem Buch veröffentlicht zu sein? Seine Aufregung stieg ins Unermessliche. Am Stand des Online-Druckanbieters verschlug es Oswin Werner zunächst die Sprache. „Was für ein schönes Format!“, jubelte er, als er das Hardcover in den Händen hielt. „Und ich stehe so weit vorn…“

„Lucie und der leuchtende Pfad“ ist die zweite von insgesamt 19 illustrierten Geschichten im Buch.  Auf 284 Seiten erzählen 15 Frauen und vier Männer aus Deutschland und Österreich vom Trostbaum, über Monster, Schweinehunde, Prinzessinnen oder Adler mit Höhenangst. Die Autorinnen und Autoren stellen sich zudem kurz vor. Interessant finde ich: drei Herren, aber keine Frau, mit ostdeutschen Wurzeln sind dabei. „Eingereicht wurden insgesamt 120 Texte“, berichtet die leitende Projektmanagerin, Melissa Dangelmaier. Bewertet wurden unter anderem Rechtschreibung und Inhalte. Eine hausinterne kleine Jury vergab Noten. In die sechste Anthologie des Unternehmens aufgenommen wurden nur Werke mit einer „1“.

„Das Tohuwabobuch“ wird nicht verkauft und ist nur direkt bei den Preisträgern oder über den Wettbewerbsinitiator erhältlich. Dieser hat bereits zu einem neuen Schreibwettbewerb aufgerufen. Bis zum 31. Oktober 2019 werden die besten Kürzestgeschichten gesucht. Themen- oder Genrevorgaben gibt es keine. Einzige Bedingung: die Texte dürfen nicht mehr als 1200 Wörter umfassen. In der Ausschreibung heißt es: „Überzeuge uns, das der wahre Sinn keine lange Rede braucht!“ Die siebente Anthologie wird auf der Leipziger Buchmesse 2020 präsentiert. Die Gewinner erhalten drei Gratisexemplare.

Ob Oswin Werner eine neue Geschichte einreichen wird? Ich glaube, ja. Auf jeden Fall schreibt er nicht nur weiter, sondern besucht auch regelmäßig eine Schreibwerkstatt in der  Abendschule.

Über Begegnungen und Leseinspirationen der 2019-er Buchmesse schreibe ich in den nächsten Tagen.

Fotos: Dagmar Möbius

Aufmacher:

Freudentänze am Messestand erlebt Melissa Dangelmaier, leitende Projektmanagerin, auch nicht alle Tage. Autor Oswin Werner jubelt über seine erste Buchveröffentlichung.

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