„Das ist Faschismus.“ Drei Worte, die knallen. Auch oder gerade, wenn sie von einem nicht unbekannten Ex-Politiker gesagt werden. Sie fielen in einem Interview, in dem es um Ausgrenzung und Diskriminierung geht. Ohne Kontext verbietet sich ein Statement. Natürlich. Trotzdem. Will ich solche O-Töne veröffentlichen? Ich mache mich angreifbar damit. Und doch habe ich mich dafür entschieden, denn im Journalismus gilt: „Sagen, was ist.“
Nicht: „Sagen, was mir gefällt.“
Beginnend am Tag der Arbeit 2025 habe ich bis heute täglich eine der noch fehlenden Sequenzen eines Interviews veröffentlicht, das ich vor mehr als vier Jahren mit Dr. Peter-Michael Diestel, dem Vizepremier und letzten Innenminister der DDR geführt habe. Aufgeräumt? Keine Einfälle mehr? Mehrfachverwertung? Nein. Zeitlose Aussagen, die an Aktualität nichts verloren haben und schon lange erschienen sein sollten, aufgrund meiner wissenschaftlichen Arbeit aber zurückgestellt werden mussten.
Wer nicht kämpft, verliert
Der Mann ist alles andere als medienscheu und er spricht Tacheles. Nicht nur mit mir. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und er hört nicht auf, Dinge beim Namen zu nennen, die er nicht richtig findet. Als Jurist hat er einen klaren Blick auf Fakten, die gern emotionalisiert werden. Das DDR-Gesundheitswesen war nicht sein Ressort, dennoch nahm sich der heute als Rechtsanwalt Tätige Zeit, ausführlich mit mir über Aspekte meines Forschungsthemas zu sprechen. Für die beforschte Zielgruppe beinhaltete das auch klare Kritik. Wer nicht kämpft, verliert.
Kann man sich nicht ausdenken …
Handwerklicher Sidekick: Das Interview wurde mitgeschnitten und ist als Film dokumentiert. Bei der Nachbereitung bekam ich einen Riesenschreck: Ein Großteil der Aufnahmen war unscharf. Auch mit fachkundiger Hilfe und technischer Expertise (danke nochmals an Paula) war nichts zu retten. Sprich: So konnten die Videosequenzen nicht veröffentlicht werden. An der Technik oder mangelnder Vorbereitung lag es nicht. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Kameramann an Grauem Star erkrankt war und dringend operiert werden musste.
Ungeschönt, unautorisiert veröffentlicht
Und noch etwas ist bemerkenswert: Alles, was veröffentlicht wurde, musste ich nicht autorisieren lassen. Gesagtes wurde transkribiert und im Sinn eines besseren Leseflusses nur minimal sprachlich bearbeitet. Manche Sätze holpern trotzdem. Das macht ein ungeschöntes Interview aus. Das mag nicht allen gefallen, aber das ist Presse- und Meinungsfreiheit.
Hier geht es zur letzten Interview-Folge. Im Beitrag sind alle vorher erschienenen Teile verlinkt.
Platz 11 von 180
In puncto Pressefreiheit liegt Deutschland in der gerade veröffentlichten Rangliste 2025 von Reporter ohne Grenzen auf Platz 11 von 180 untersuchten Ländern. Platz 1 belegt Norwegen. Ungarn, von wo aus ich diese Zeilen gerade schreibe, ist auf Rang 68 platziert. Den Schlussplatz 180 hält unverändert Eritrea.
Screenshot: DM
Auf das historische Ereignis der heutigen deutschen Nichtkanzler-Wahl im 1. Wahlgang reagiert die ungarische Nachrichtenagentur Telex so:
„Friedrich Merz wird überraschend nicht im ersten Wahlgang zum neuen deutschen Bundeskanzler gewählt
Er benötigte 316 Stimmen, erhielt bei der Abstimmung am Dienstag aber nur 310 Stimmen. Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie vorgekommen.“
Aufmacherfoto: Dagmar Möbius
In Ungarn durfte ich bei verschiedenen Anlässen die Arbeit eines Reporter-Teams des ungarischen Fernsehens (Mitte hinten) beobachten. Der Berichtsgegenstand hier im Bild ist aus meiner Sicht eher nicht brisant. Im Vorfeld eines traditionellen Kostümumzuges „für glückliche Friedenszeiten“ leben die 1920-er Jahre auf. Interviewt wird eine Charleston-Tänzerin, beobachtet von zahlreichen Schaulustigen.