Aktueller Filmtipp: „Kranke Geschäfte“

Der Erstausstrahlungstermin steht seit zwei Monaten im Terminkalender: am Montag, dem 28. September 2020, 20:15 Uhr, zeigt das ZDF „Kranke Geschäfte“. Vorab lief der Fernsehfilm der Woche auf arte und seit ein paar Tagen ist er in der Mediathek abrufbar. Ich habe ihn bereits gesehen, denn der Plot bewegt mich.

Darum geht es im Film

Armin Glaser (Florian Stetter), linientreuer Oberleutnant der Stasi, lebt mit seiner Frau Marie (Felicitas Woll) und Tochter Kati (Lena Urzendowsky) in der DDR in Karl-Marx-Stadt. Als bei Kati Multiple Sklerose diagnostiziert wird, hoffen sie auf eine neuartige Behandlung und geben sie in die Obhut von Dr. Sigurd (Corinna Harfouch). Doch schon bald treten Ungereimtheiten auf. Das von wahren Ereignissen inspirierte Polit-Drama thematisiert ein brisantes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte: Medikamententests westdeutscher Pharmafirmen an DDR-Bürgern. (Quelle: ZDF)

Darum empfehle ich den Film

Seit vielen Jahren recherchiere ich zu DDR-Pharmatests. Zunächst aus eigener Betroffenheit, später um die Dimension und die Folgen zu ergründen. Meinen Erstartikel wollte niemand veröffentlichen. Zugegeben, die geplante Überschrift „Das Schweigen der Schredder. Wie legitim war die Gabe von Arteparon in der DDR?“, ließ Ärger erwarten. Dass der Beitrag im Dezember 2015 doch – mit der Headline „Heimliche Spritzen von Knorpelschutzmittel Arteparon“ – erschien, verdanke ich der kollegialen Kooperation von Nicola Kurth, damals Chefredakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung.

Betroffene wollen Klarheit

Seitdem melden sich immer noch regelmäßig Betroffene mit teils schwersten vermuteten Spätfolgen bei mir. Auch jetzt. Sie alle wollen keine Entschädigung, obwohl man auch das diskutieren müsste. Sie wollen Klarheit und sie wollen, dass geklärt wird, ob bis heute anhaltende Symptome mit dem verabreichten Medikament in Verbindung stehen. Bis heute gibt es keine überregionale Forschungseinrichtung, die sich dieser Fälle annimmt. Über die ebenfalls 2015 veröffentlichten Ergebnisse der an der Charité angestellten wissenschaftlichen Untersuchung zur Thematik sind Betroffene, mit denen ich sprach, nicht glücklich. So konnte nur ein Teil fraglicher Medikamentenstudien untersucht werden, Fragen der Patientenaufklärung blieben strittig und die Intransparenz des Vorgehens in Ost und West wurde kritisiert. Zudem empfahl die Forschergruppe eine umfassende Aufarbeitung damaliger DDR-Devisengeschäfte sowie regionale Studien mit der Analyse entsprechender Krankenakten.

Tatsächlich hält auch Filmproduzentin Dr. Franziska An der Gassen (Geburtsjahr 1978), die Thematik der DDR-Medikamententests für „eines der letzten noch nicht aufgearbeiteten Themen der deutsch-deutschen Geschichte.“

Für mich war die Recherche zu Arteparon & Co. nie abgeschlossen. Gemeinsam mit Betroffenen können hoffentlich noch einige Fragen beantwortet werden. “Kranke Geschäfte” ermutigt auf jeden Fall.

Marie Glaser (Felicitas Woll, 2.v.r.) und Armin Glaser (Florian Stetter, M.) wissen nicht, warum es ihrer Tochter Kati (Lena Urzendowsky, r.) trotz verabreichter Medikamente immer schlechter geht.

 

 

Foto: ZDF / Dusan Martincek

2 Gedanken zu „Aktueller Filmtipp: „Kranke Geschäfte“

  1. „Kranke Geschäfte“ ist ein bewegender Film. Er zeigt, dass auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch viel Aufklärung zu leisten ist. Als Zeitzeuge der Stiftung Aufarbeitung habe ich erlebt, dass auch die Ausgrenzung von Zeitzeugen dazu beigetragen hat. Es ging viel Wissen verloren. Im Interesse derer, die keine Verantwortung für ihre Handlungen in der DDR übernehmen mussten.

  2. Auch ich habe mich lange mit dem Thema Arteparon beschäftigt. Ich habe dieses Mittel in der DDR als Sportstudentin in Rostock vom DDR Mannschaftsarzt der Wasserspringerinnen und Wasserspringer in mein linkes Knie injiziert bekommen.
    Netter Mensch,der mir helfen wollte, ich konnte ja mit 19 Jahren kaum noch mein linkes Bein benutzen, geschweige denn überhaupt noch irgendwelche sportpraktischen Prüfungen absolvieren.
    Diagnose Knorpelabnutzung. Vielleicht noch OP. NAch der zweiten Spritze war mein Knie so entzündet, dass ich das Skilager verlassen musste, weil nichts mehr ging.
    Zum Glück fand ich damals einen Arzt, der eine Blockade der LWS feststellte, und mich mit Akupunktur und manueller Therapie vor einer Knie-OP ohne Grund bewahrte.
    Ich hatte keine Knorpelabnutzung.
    Der Arzt, der mir damals Arteparon injiziert hat, hat mir nur kurz mitgeteilt, dass es ein westdeutsches Präparat sei ohne weitere Erklärungen.
    Zum Glück konnte ich mein Studium mit allen sportlichen Herausforderungen abschließen.
    Die Arteparonspritzen haben mir nicht geholfen.
    Seit vielen Jahren habe ich eine Arthrose höchsten Grades und zwischenzeitlich auch Gonathrosen.

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