Das Schönste an meinem Beruf sind unverhoffte Begegnungen und ungeplante Entdeckungen. Eine Umleitung im Berliner Umland bescherte mir jetzt gleich zwei an einem extrem hitzigen Tag. So stoppte ich an einer Ranch im scheinbaren Niemandsland und kühlte mit Blick auf einen weißen Stier ab.
Fontane wäre all das gelaufen. Ich denke daran, während ich auftragsgemäß einigen seiner Spuren in der Mark folge. Nur teilweise wandernd. Wie schade das ist, merke ich, als mich eine Umleitung über Dörfer schickt, die vom öffentlichen Nahverkehr nahezu abgeschnitten sind. Der Bahnhof Eberswalde ist knapp 13 Kilometer entfernt, der Bahnhof Falkenberg je nach Strecke rund acht Kilometer. Ein Kleinbus verkehrt nur auf Bestellung. Mit der Linie 881 der Barnimer Busgesellschaft könnten Besucher in Falkenberg immerhin bis zum Örtchen Krummenpfahl fahren – es bliebe ihnen noch ein knapp drei Kilometer langer Fußweg nach Gersdorf. Das zuständige Amt Falkenberg-Höhe weist 2.221 Einwohner (Stand: 2016) für seine drei Ortsteile aus. Auf einem Quadratkilometer wohnen hier 37 Einwohner. In Berlin vergleichsweise 4.039, in Dresden 1.666. Wohnungssuchende trauen ihren Augen kaum: Aktuelle Vermietungsangebote der Gemeinde offerieren beispielsweise eine 80-Quadratmeter-Wohnung aus dem Baujahr 1968 für eine Kaltmiete von 371,08 Euro. Frei ab November 2018.
Erhitzt in Oklahoma
Aber zurück zu meinem Spontanstopp an der Dorfstraße in Kruge-Gersdorf. „The Flower Horse Ranch“ liegt rechter Hand, inmitten des laut Gemeinde-Homepage „unentdeckten Paradieses für Naturtouristen und Vogelbeobachter, eine Stunde nordöstlich von Berlin“. Sind es die Verbotsschilder, die mich näher treten lassen?
Kein Pferd weit und breit zu sehen. Doch alle Tore sind passierbar. Nach wenigen Schritten stehe ich inmitten einer Filmkulisse im Western-Stil. Oklahoma lässt grüßen. Ist hier jemand? Ja, tatsächlich: Franziska Amling-Hinrichs tritt aus dem Cowboy-Hotel.
Sie ist die Herrin des tierreichen Hofes und Pferdeexpertin. Seit 17 Jahren baut ihr Mann die Westernstadt in seiner Freizeit, während sie allein zahlreiche Tiere versorgt, Reitstunden und Seminare gibt oder Camps organisiert. Wäre es nicht so heiß, würden die Pferde frei über das Gelände laufen, bei über 30 Grad bevorzugen auch sie ein schattiges Plätzchen auf der Ranch. Was für eine Fundgrube für große und kleine Kinder! Es gibt unendlich viele Details zu entdecken. Wer es an einem Tag nicht schafft und auf Luxus verzichten kann, könnte im rustikalen Bauwagen übernachten. Ohne warmes Wasser und mit Dixi-Toilette. Handy-Empfang nur mit viel Glück. Ich muss weiter, doch ich habe Lust, mit mehr Zeit zurückzukehren. „Fontane war leider nie hier“, lacht die Ranch-Betreiberin. Obwohl das nicht so abwegig ist wie es klingt, denn mehrere Wanderwege, beispielsweise der Oderlandweg, führen fast am Westerndorf vorbei.
Abgekühlt in der „Blauen Zwiebel“
Meine eigentliche Recherche in Bad Freienwalde ist vorerst beendet, doch als Gesundheitsjournalistin bin ich neugierig auf das Moorbad in der ältesten Kur- und Badestadt im Land Brandenburg. 1684 wurden hier, im Tal des historischen Gesundbrunnens, Heilquellen entdeckt. Der Große Kurfürst soll damit seine Gichtbeschwerden gelindert haben. Seit 1840 wird das in der Nähe gewonnene Naturmoor als Heilmittel bei orthopädischen oder rheumatologischen Erkrankungen eingesetzt. Der von Lenné geschaffene Kurpark erweist sich als wahres Kleinod.
Vom See an der früheren Papenmühle schweift der Blick über gesundes Grün und bleibt an einem weißen Stier hängen. Von dem von Louis Tuaillon aus Marmor geformten Tier habe ich heute schon einmal gehört: Die Skulptur stand früher im etwa 20 Kilometer entfernten Gutspark Hirschfelde und soll nach dem Krieg nach Bad Freienwalde gelangt sein.
Vor drei Wochen hat Mandy Bäuerle ihr Café „Blaue Zwiebel“ am Eingang des Kurparks eröffnet. Einen gleichnamigen Kiosk gab es an der Stelle schon in den 1950er-Jahren bis Mitte der 1960er-Jahre. Jetzt wie einst sitzt man ausschließlich auf der Terrasse im Freien, auch im Winter. Der ist noch fern und die Pächterin hat viele Pläne. Sie will Lesungen, Konzerte und Feiern ausrichten. „Schon jetzt ist die Resonanz riesig“, freut sie sich und serviert Frozen Yoghurt mit frischen Heidelbeeren. In der kalten Jahreszeit wird dann wohl Glühwein auf der Angebotstafel stehen. Inzwischen erklärt mir die Gastronomin verschiedene Kräuter: Cola-Strauch, Curry, Basilikum, diverse Minzarten, Essgeranien. Den Sauerklee soll ich kosten. „Der kommt morgen in den Quark“, kündigt sie schmunzelnd an. Woher der Name „Blaue Zwiebel“ stammt, weiß Mandy Bäuerle nicht genau. Überlieferungen erzählen, dass jemand den Namen einfach an den Kiosk gemalt habe. Ob das eine Anspielung auf Trunkenheit oder den tränengetrübten Blick in die Geldbörse war, kann nur vermutet werden. Sicher aber ist, dass sich in der Mitte des aus Quellwasser gespeisten Papenteichs die Liebesinsel befindet.
Mein Fazit: Umleitungen positiv sehen, sofern es die Zeit erlaubt.
Fotos: Dagmar Möbius