Was will das Publikum?

Vorigen Sommer hatte ich mich für das Digital-Journalism-Fellowship-Programm der Hamburg Media School beworben. Mehrere Hunderte Bewerbungen für die 20 Plätze gingen ein. Ich bekam leider keinen. Doch im Herbst erreichte mich eine Einladung. Was für eine Chance!

Anfang Februar fuhr ich nach Hamburg und durfte einen Tag mitlernen. Der Dozent: Dr. Christian Fahrenbach. Von ihm lese ich, seit es die „Krautreporter“ gibt. Das unabhängige und werbefreie digitale Magazin wurde 2014 mit Hilfe von Crowdfunding (und damit auch meinem Anteil) gegründet. Der seit fünf Jahren in New York lebende Journalist beliefert mich und weitere 18.000 Abonnenten jeden Montag bis Freitag mit den wichtigsten Nachrichten und spannenden Netzfundstücken. Nach der werktäglichen Krautreporter-Morgenpost nun also in echt. Auf dem Stundenplan: „Publikumsorientierung“.

Warum das Thema so spannend ist?

(Fast) Alle Printauflagen schrumpfen. Die überregionalen deutschen Tageszeitungen verkauften im 4. Quartal 2018 2,45 Millionen Exemplare. Das sind 7,1 Prozent weniger als im 4. Quartal 2017, meldete statista Ende Januar 2019.

Digitale Erlösmodelle gibt es zwar, nachhaltige Erfolgsrezepte sind rar. Medienunternehmen müssen sich mehr mit ihren Lesern, Hörern und Zuschauern befassen. Welche Bedürfnisse haben sie? Was für Informationen brauchen sie? Wie müssen diese aufbereitet sein? Und wie lässt sich mit Journalismus Geld verdienen?

Im Hamburger Mediencampus beschäftigte ich mich mit Communities, Zielgruppen, Prozessjournalismus, Businessmodellen und digitalen Tools. Dabei war ich keinesfalls nur Zaungast, sondern mittendrin in Gruppenarbeit und Diskussionen über Fallstudien und digitale Anwendungen.

Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, der Schweiz, Iran, Syrien und Afghanistan kennenzulernen, die zum größten Teil meine Kinder sein könnten, war erkenntnisreich und inspirierend. Toll, wie die Jugend an Neues herangeht, wie sie hinterfragt, ausprobiert und ganzheitlich denkt! Ich durfte einer jungen Chefredakteurin erklären, wie ein Newsletter-Programm funktioniert und erfuhr von ihr, dass in großen Verlagshäusern die Aufgaben klar geteilt sind: Redakteure kümmern sich um Recherchen und Inhalte, Programmierer und IT-Fachleute sorgen dafür, dass technisch alles reibungslos klappt. Freie Journalisten, die offen für den digitalen Wandel sind und sich kontinuierlich weiterbilden, können mit praktischen Erfahrungen also durchaus punkten. Egal welcher Altersgruppe sie angehören. Das Verständnis füreinander zu entwickeln, ist enorm hilfreich. In Hamburg einte die Gruppe das klare Ziel, anwendbares Wissen und Erfahrungen zu teilen. Der Spaß beim Lernen war inklusive.

Ich danke der Hamburg Media School für die Möglichkeit des Schnupperstudiums, Christian Fahrenbach und meinen Kommilitonen auf Zeit für das Dabeiseindürfen. Wir sehen uns wieder.

Fotos: Dagmar Möbius

Aufmacherfoto:

Das Hauptgebäude des heutigen Mediencampus wurde 1912 als Institut für Geburtshilfe geplant.

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