Über gefallene und neue Mauern

Pink, Grün oder Gold – die Farben hätte ich spontan nicht mit dem Thema „Mauerfall – Fallende Mauern“ verbunden. Aber ich bin auch keine Kunstexpertin. Ich betrachte Malerei und Bildende Kunst emotional. Berührt mich ein Werk, interessiert mich die Geschichte dahinter und was die Schöpferin/den Schöpfer bewegt. Manchmal habe ich das Glück, hautnah nachzufragen. Wie beim ArtRoom, der mittlerweile 8. Kunstausstellung, die der Kunstraum Oranienwerk e.V. an meiner langjährigen Wirkungsstätte in Oranienburg gerade eröffnete.

32 Künstlerinnen und Künstler stellen für zwei Wochen ihre Gemälde, Grafiken, Skulpturen oder Fotografien unter dem Motto „Mauerfall – Fallende Mauern“ aus. Ob sie aus Ost oder West, aus Berlin oder Brandenburg, aus Deutschland oder anderen Ländern, stammen, ob sie studierte, renommierte Künstler oder Autodidakten sind, überregional erfolgreich oder unbekannte Hobbymaler, spielt im Kunstverein keine Rolle. „Unser verbindendes Element sind überwundene Grenzen“, sagte Vereinsvorsitzende Christiane Gritzewitsch zur Vernissage. Kein Wunder, dass fast alle Ausstellenden anwesend sind.

Berliner Triptychon von Marian Zaic

 

Ein Blickfang ist schon aufgrund seiner Größe das „Berliner Triptychon“ von Marian Zaic. „Ich konnte mich nie mit der Mauer anfreunden“, sagt er. 140 Namen von Mauertoten hat er verewigt. Das Schicksal von Peter Fechner berührte ihn besonders. Mehr erklärende Worte braucht es nicht.

Goldenes Zeitalter von Masha Lofft

Eine Schneiderpuppe mit Strohhut. Aus dem goldenen, sehr kurzen, Kleidchen und der Umhängetasche lugen 100-D-Mark-Scheine. Beine fehlen. Der Torso steckt auf einem roten Besenstiel. Aber halt – der Kopf ist abgeknickt. Und was bedeuten die Grasnarben mit Blümchen? Masha Lofft hat ihre auffällige Skulptur so untertitelt: „Beginn des goldenen Zeitalters in blühenden Landschaften. Endlich ist die D-Mark in naher Ferne! Hurra, hurra, wir gaben alles.“ Sie wollte alles verarbeiten, was nach dem Mauerfall versprochen wurde. „Einer hat den Hut auf, andere hatten nicht so viel Kraft und haben alles verloren“, kommentiert sie.

Wir sind, also sind wir von Uwe Müller-Fabian

„Würden Sie sich so was ins Wohnzimmer hängen?“, fragt Uwe Müller-Fabian selbstironisch. „Das gehört in ein öffentliches Gebäude“, ist ein Gast überzeugt. Viele Ausstellungsbesucherinnen und -besucher verweilen lange vor dem 150 x 100 cm großen Bild auf Leinwand. Es heißt: „Wir sind, also sind wir.“ Gespräche entspannen sich angesichts der vielen Details. Aktuelle Bezüge werden erörtert. Es ist ein Werk, das offenbar viel Kraft kostete. Konnte der Maler früher gar nicht so schnell malen, wie er Gemälde verkaufen sollte, nimmt er sich heute ein Werk pro Monat vor. „In diesem Jahr habe ich erst drei gemalt“, sagt er. „Alles läuft auf kleinerer Flamme.“

wenn Mauern fallen von Kai van Koolwijk

Eine außergewöhnliche Collage steuert Kai van Koolwijk bei. Die Farb- und Feng Shui-Expertin stellt Rosa und Pink gegenüber und vergleicht damit zwei Perspektiven von Weiblichkeit. „…wenn Mauern fallen“ heißt das Werk, das im Vorfeld der Ausstellung im Kunstverein für interne Debatten sorgte. „Alles soll genau so sein, wie es hier hängt, auch der Strick als Aufhängung“, sagt die Künstlerin, die auch Vorträge zum Zusammenhang von Farben und Frausein hält.

Zukunft im Nebel von Edda Gäth

Vor dem Ölbild „Zukunft im Nebel“ von Edda Gäth stehe ich mehrmals. Anlässlich ihres 80. Geburtstages zeigt die Künstlerin in einer kleinen Sonderexposition im benachbarten Kesselhaus vornehmlich Landschaftsimpressionen. Aber dieses Bild aus ostdeutscher Sicht muss nicht erklärt werden. Oder doch?

30 Kilometer nördlich der Metropole Berlin sind gemalte oder fotografierte Lost Places, Grenztürme, Demonstrationszüge und Freiheitssymbole zu sehen. Das ist gut, weil fallende und neue Mauern eben nicht nur Berlin betreffen.

Der 8. ArtRoom ist bis 27. Oktober 2019 im Oranienwerk zu besichtigen: dienstags, donnerstags, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr sowie freitags von 18 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Führungen sind nach Absprache möglich. Zudem sind zwei Lesungen und eine Diskussion geplant.

Fotos: Dagmar Möbius

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