Untypisch, nun unvergessen

Heute nahm (m)eine über zehnjährige Freizeitrecherche ein vorläufiges Ende: Im Postbruch in Strausberg (Märkisch-Oderland) verlegte Gunter Demnig einen Stolperstein für Elisabeth Reglin, geboren 1906 in Königsberg, tot aufgefunden in Strausberg am 10. Juni 1941. Die 35-jährige Frau war die erste Frau meines Großvaters.

 

Ich hatte bis zum Recherchebeginn nie von ihr gehört und kannte meine familiären Verbindungen in Brandenburg nicht. Dokumente oder Fotos gab es keine. Dass ich die Geschichte so weit dem Vergessen entreißen konnte, verdanke ich der uneigennützigen Unterstützung zahlreicher Menschen und Institutionen der Stadt Strausberg, im gesamten Bundesgebiet und sogar international. Auch meiner Beharrlichkeit, die nicht allen angenehm war. Noch immer sind zwar Fragen offen und es konnte nicht die komplette Biografie rekonstruiert werden, aber ich werde die Geschichte meiner Recherche und die Hintergründe des ungeklärten Todesfalls in einem Buch erzählen. Das Veröffentlichungsdatum ist noch offen.

 

Ebenfalls heute wurde in der Großen Straße 61 in Strausberg ein Stolperstein für Moisy Fingergut verlegt. Initiiert von der VVN-BdA MOL und der Jugendgeschichtswerkstatt der Jungen Humanist_innen Märkisch-Oderland, wird nun an den jüdischen Herrenschneider aus Chemnitz erinnert. Der 1894 Geborene wohnte am heutigen Gedenkort, als er in Strausberg Arbeit bekam. 1938 wurde er erstmals in Schutzhaft genommen, 1943 in Potsdam inhaftiert, im gleichen Jahr nach Auschwitz deportiert und ermordet.

 

Sonntag, 9 Uhr, 2 Grad Außentemperatur. Über 50 Menschen, darunter das Ehepaar Schwarz, das Moisy Fingerguts Geschichte recherchierte, sowie zahlreiche junge Leute und einheimische Interessierte, sind erschienen. Zwei Mitglieder der Jugendgeschichtswerkstatt lesen die Biografie des Ermordeten vor. Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadeler würdigt das Engagement der Aktiven gegen das Vergessen. Wie wichtig das ist und bleibt, verdeutlicht das Datum: Heute jährte sich der rechtsextremistische Anschlag von Hanau zum dritten Mal.

Der Künstler Gunter Demnig (*1947) erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Gehweg einlässt.

Ganz besonders danke ich allen Unterstützenden der Stadt Strausberg, dem STOLPERSTEINE-Team mit Karin Richert (†) und Gunter Demnig, der den „besonderen Fall“ von Elisabeth Reglin persönlich entschied, Nils Weigt und Sophie Preibisch von der VVN-BdA MOL für das gemeinsame Organisieren der würdevollen Verlegungen, und allen Menschen, die sich gegen das Vergessen engagieren. Das wertschätzende Miteinander motivierte mich während der gesamten Recherche und spornte mich an weiterzumachen, auch als die Faktenlage aussichtslos schien und sich monatelang nichts bewegte. Ein herzlicher Dank geht an die Fotografin Steffi Rose, die die Stolperstein-Verlegungen fotografisch begleitete.

Fotos: Steffi Rose

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